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Frohe Ostern!

Ostergruß von Bernhard Bürgler SJ

Als ich das erste Mal vom Osterbrauch des Augen-Waschens gehört habe, war ich überrascht und berührt zugleich. Was es nicht alles gibt, dachte ich mir, und welch tiefes Verständnis vom Osterfest sich darin spiegelt. Am Ostermorgen liefen die Leute zum Dorfbrunnen und wuschen sich die Augen. Verbunden wurde das mit der Bitte um Oster-Augen. Die Ursprünge dieses Brauches scheinen in Frankreich zu liegen, inzwischen findet man ihn auch an bestimmten Orten in Deutschland und Österreich.

In den biblischen Erzählungen von der Auferweckung Jesu ist immer wieder vom Sehen die Rede. Vom Hinsehen, Hindurchsehen, Neu sehen.

Sie kennen die Szene im Johannesevangelium. Maria von Magdala kommt frühmorgens zum Grab. Sie sieht das leere Grab, dann zwei Engel, dann den Gärtner und schließlich Jesus, den Auferweckten, den Lebenden. „Ich habe den Herrn gesehen!“ berichtet sie den Jüngern. Damit ist sie die Apostolin der Apostel.

Hinschauen, nicht Wegschauen. Das hat Jesus getan, dazu hat er auch die Menschen, die ihm nachgefolgt sind, seine Jüngerinnen und Jünger, ermutigt und aufgefordert. Er hat ihnen die Augen geöffnet für die Wirklichkeit der Welt und des Menschen, so wie sie uns zunächst ins Auge springt und wie sie eigentlich, in der Tiefe ist. Er tat es in seinem irdischen Leben und er tut es über seinen Tod hinaus, jetzt.

Hinschauen, das meint zunächst einfach Wahrnehmen. Hinschauen, wirklich hinschauen meint aber mehr, meint tiefer blicken. Hinschauen will uns schließlich zu Ein-Sicht und damit zu einem Neu-Sehen führen.

Damit das geschieht, müssen wir uns bewegen. Von Maria von Magdala wird erzählt, dass sie sich immer wieder umwendet, vom einen wegwendet und anderem zuwendet. Und es braucht ein liebendes Herz. Sie hatte ein solches.

Sehen mit österlichen Augen.

Was damit gemeint sein könnte, das hat Klaus Hemmerle, der 1994 verstorbene Bischof von Aachen wunderbar ins Wort gebracht, als Wunsch für uns alle:

Ich wünsche uns Osteraugen,

die im Tod bis zum Leben sehen,

in der Schuld bis zur Vergebung,

in der Trennung bis zur Einheit,

in den Wunden bis zur Heilung.

Ich wünsche uns Osteraugen,

die im Menschen bis zu Gott,

in Gott bis zum Menschen,

im ICH bis zum DU,

zu sehen vermögen.

Denken Sie daran, wenn sie sich am Ostermorgen die Augen waschen. Aber nicht nur am Ostermorgen, auch an den Tagen danach, an allen Tagen.

Ich wünsche Ihnen gesegnete Ostern, das Vertrauen und die Erfahrung, dass das Leben stärker ist als der Tod.

Ihr Bernhard Bürgler SJ
Provinzial der Jesuiten in Zentraleuropa

Autor:

Bernhard Bürgler SJ

Pater Bernhard Bürgler SJ ist ein ausgewiesener Experte in den Bereichen Spiritualität, Exerzitien, Meditation und Psychoanalyse. P. Bürgler ist in Lienz, Osttirol geboren. Nach der sogenannten Matura, dem österreichischen Abitur, studierte er in Innsbruck Theologie. Im Anschluss an sein Studium arbeitete er im deutschen Exerzitienhaus "Haus Gries" mit, das von den Jesuiten getragen wird. Nach weiteren Jahren als Religionslehrer in Österreich trat P. Bürgler 1991 in die Gesellschaft Jesu ein. Nach dem Noviziat promovierte er in Theologie und machte zudem eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. Seine Tätigkeiten im Orden waren Spiritual im internationalen Priesterkolleg Canisianum (Innsbruck), Leiter des Exerzitienhauses „Haus Gries“ (Wilhelmsthal), Bereichsleiter für Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus (Wien). 2014 wurde er Provinzial der Österreichischen Provinz der Jesuiten. Am 31. Juli 2020 ernannte ihn der Generalobere P. Arturo Sosa SJ zum ersten Provinzial der neuen Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten, die die bisherigen Provinzen für Österreich, Deutschland, Litauen-Lettland, Schweden und die Schweiz ersetzt hat.

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